„Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten.
Ziehen sie durch das trostlose Tal, wird es für sie zum Quellgrund und Frühregen hüllt es in Segen. Sie schreiten dahin mit wachsender Kraft;
dann schauen sie Gott auf dem Zion.“
(Ψ 84(83),6-8 EU)
Die Kirche selbst sieht sich als pilgerndes Gottesvolk auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem.
RÜCKBLICK:
Neben den Wallfahrten zu hl. Orten kannte die Kirche auch Umzüge (Prozessionen).
Bei Prozessionen wurden hauptsächlich Psalmen gesungen und die Allerheiligenlitanei gebetet. Im späten Mittelalter kam noch das Rosenkranzgebet hinzu.
Die verschiedenen Prozessionen (Bittgang, Begräbnis, Fronleichnam, usw.) hatten jeweils ihre eigene Prozessionsordnung / Aufstellung (Kinder, Bruderschaften, Kirchenchor, Geistlichkeit, Männer, Frauen, usw.).
Allen gemeinsam war das vorantragen eines Prozessionskreuzes.
Besonders im süddeutschen Raum wurden bei den Bittgängen vier Stationen eingelegt. An jeder Station pflegte man einen Abschnitt aus einem der vier Evangelien zu lesen.
Hier einige Beispiele für Wallfahrten und Prozessionen:
Wallfahrten:
- ins Heilige Land
- zu Orten, an denen Reliquien des Herrn, Mariens, usw. verehrt wurden (Kreuzpartikel, hl. Blutreliquien,
Loretokapellen, Gewänder Mariens, usw.)
- zu Orten von eucharistischen Wundern (Orvieto,
Walldürn, Kloster Andechs, usw.)
- zu Heiligengräbern (z. B. Dreikönigsschrein in Köln)
- zu Orten, mit den Nachbildungen des Kalvarienberges
oder des Hl. Grabes
- zu wundertätigen Bildnissen (Schwarze Madonna,
Mater Dolorosa, Maria Vesperbild, Gegeißelter
Heiland, Annaselbdritt, usw.)
- in neuerer Zeit zu Orten von Marienerscheinungen (Lourdes, Fatima,
usw.)
- usw.
Heiltumswallfahrten:
An den entsprechenden Orten und Tagen, an denen Reliquien den Wallfahrern und Neugierigen gezeigt wurden:
- Aachener Marienschrein mit den vier hl. Textilien (alle sieben Jahre)
- Hl. Rock in Trier
- Hl. Lanze in Nürnberg
- Schweißtuch der Veronika in der Peterskirche in Rom
- usw.
Heiliges Jahr:
Wallfahrt anläßlich des hl. Jahres nach Rom
[Ungefähr alle 25 Jahre fand in Rom ein Jubeljahr statt. Hierbei öffnete der Papst am Vorabend des Weihnachtsfests eine zugemauerte Pforte (hl. Pforte) der Peterskirche. Im Anschluß daran öffneten auch die Kardinäle von Santa Maria Maggiore, St. Paul vor den Mauern und St. Johann im Lateran die hl. Pforten dieser Kirchen.
Die Pilger konnten nun durch den Besuch der vier Patriarchalkirchen im hl. Jahr einen vollkommenen Ablaß (Vergebung aller Sündenstrafen) gewinnen.
Am Ende des Jubeljahres wurden die hl. Pforten wieder feierlich zugemauert.]
Meßfeier:
- Einzugsprozession (im Besonderen bei den bischöflichen Meßfeiern
(Pontifikalämtern))
- Gabenprozession (im Besonderen bei Heiligsprechungen nach dem
alten Ritus)
- Kommunionsprozession
Geleit der Kirchengemeinde:
- Feierlicher Einzug in die Kirche: Taufe, Erstkommunion, Hochzeit, usw.
- Prozession zum Grab: Beerdigung („Letztes Geleit“)
- Feierliche Empfänge: Kaiser, König, Bischof, Prälaten, Legaten, usw.
Im Kirchenjahr:
- Kerzenprozession an Mariä Lichtmeß (2. Februar: Überbleibsel der
ursprünglichen Kerzenprozession von San Adriano nach Santa Maria
Maggiore: Stationsgottesdienst)
- Palmprozession am Palmsonntag
- Gründonnerstag: Einführung der Büßer in die Kirche (Rekonziliation)
- Kreuzwegprozession
- Osternacht: Feierlicher Einzug mit dem Osterlicht in die dunkle Kirche
- Osternacht: Prozession von der Taufkapelle in die Kirche (nach der
Taufwasserweihe)
- Osterprozessionen
- Große Bittprozession am 25. April (laetaniae majores: Die Prozession
führte in Rom von San Lorenzo in Lucina nach Pontemolle bzw.
Santa Maria Maggiore)
- Flurprozessionen an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt
(Rogationen)
- Prozession mit dem Allerheiligsten (Ostensorium) an Fronleichnam
- Bei Patrozinien von Kirchen und Kapellen wurde oft im Anschluß an den
Festgottesdienst eine Prozession abgehalten. (War der Kirchenpatron
Schutzherr über die Tiere (z. B. hl. Georg, Leonhard, Eulogius),
so konnte eine lokale Reiterwallfahrt mit Pferdesegnung enstehen.)
- usw.
Translationen:
Übertragung von Reliquien von einem Ort zu einem anderen (z.B. bei der Weihe einer neuen Kirche).
Bei besonderen Anliegen:
- Bittgänge bei Hungersnot, Dürre, Überschwämmung, Kriegsgefahr, usw.
- Dankprozessionen (z. B. nachdem eine Stadt vor Eroberung und
Plünderung bewahrt blieb)
Bei seltenen Gottesdiensten oder Ereignissen
Während die liturgischen Prozessionen ihren vorgschriebenen Ablauf hatten, unterlagen die volkstümlichen Wallfahrten den Modeerscheinungen ihrer Zeit.
GEGENWART:
Die Kirche versucht die Tradition der Wallfahrten und Prozessionen aufrecht zu erhalten.
Die Prozession am 25. April (Große Bittprozession) wurde gestrichen.